AUS KREISKY WOHNZIMMER online
ES IST EIN GUTES LAND. Kuratiert von Wolfgang Maderthaner
WIEN IN DER NACHKRIEGZEIT
Ein Zeitzeuginnengespräch
Barbara Coudenhove-Kalergi, Journalistin und Herausgeberin
Emmy Werner, Schauspielerin, Theaterdirektorin und Regisseurin
Moderation:
Wolfgang Maderthaner, Historiker, Verein Geschichte der Arbeiterbewegung
Am 13. April 1945 wird in Moskau aus 324 Kanonen Salut geschossen, zum Zeichen, dass die Rote Armee Wien befreit hat – eine Stadt, die vom Kriegsgeschehen schwer gezeichnet ist. Mehr als 20 Prozent des Hausbestandes sind ganz oder teilweise zerstört. Beinahe 87.000 Wohnungen sind unbewohnbar. Im Stadtgebiet werden mehr als 3.000 Bombentrichter gezählt. Zahlreiche Brücken liegen in Trümmern. Kanäle, Gas- und Wasserleitungen haben schwere Schäden erlitten. Vor den Lebensmittelgeschäften bilden sich lange Schlangen, um wenigstens irgendeine Kleinigkeit zu erstehen.
Im August 1945 kommen die Westalliierten nach Wien, am 1. September übernehmen die Truppen der vier Besatzungsmächte ihre Zonen und bleiben bis zur Ratifizierung des Österreichischen Staatsvertrages am 15. Mai 1955.
Barbara Coudenhove-Kalergi, Jahrgang 1932 und Emmy Werner, Jahrgang 1938 haben diese schwierigen Jahre in Wien erlebt. Mit Wolfgang Maderthaner sprechen sie über ihren Alltag im Nachkriegswien. Und darüber, wie sie diese Zeit geprägt hat.
Barbara Coudenhove-Kalergi verbrachte ihre Kindheit als deutschsprachige Bürgerin der Tschechoslowakei. Ihre Familie wohnte in einer Villa in Prag-Smíchov, einem Industrie- und Arbeiterviertel. 1939, als sie sieben Jahre alt war, marschierte die Wehrmacht in Prag ein.
Seit sie 1945 als Prager Deutsche aus ihrer Heimat vertrieben wurde, lebt sie meist in Österreich. Sie arbeitete als Journalistin bei den Tageszeitungen Die Presse, Neues Österreich, nach dessen Einstellung 1967 bei der Arbeiter-Zeitung (von Bruno Kreisky aufgenommen) und beim Kurier sowie beim Nachrichtenmagazin profil. Dem breiteren Publikum wurde sie seit Mitte der 1970er Jahre als Mitglied der von Gerd Bacher forcierten Osteuroparedaktion des ORF bekannt, vorerst im Hörfunk, später auch im Fernsehen. Ihre sensiblen Reportagen für den Österreichischen Rundfunk befassten sich mit den damals noch zum so genannten Ostblock gehörenden Ländern ,vor allem mit Polen und der Tschechoslowakei, wo sie zeitweise als ORF-Korrespondentin stationiert war.
Nach dem Fall der kommunistischen Diktaturen kehrte sie in ihr Geburtsland zurück. In den Jahren 1991 bis 1995 war sie als ORF-Korrespondentin in Prag tätig. Heute schreibt sie als freie Journalistin vor allem für tschechische und österreichische Zeitungen und ist Herausgeberin mehrerer Bücher mit Texten zur Geschichte und Gegenwart der Länder des früheren Ostblocks. Seit 2005 ist sie Mitglied des Redaktionsbeirats der Zeitschrift Datum.
Barbara Coudenhove-Kalergi ist Mitbegründerin der Bürgerinitiative „Land der Menschen“ und erhielt zahlreiche Preise. 2019 wurde sie für ihr publizistisches Gesamtwerk mit dem Bruno Kreisky Preis für das politische Buch ausgezeichnet.
Emmy Werner wurde in Wien geboren und verbrachte hier ihre Kindheit. Ihr Vater war Hans Werner, Schriftsteller und Textautor bekannter Wienerlieder, ihre Mutter (1905–2002) Emmy Werner war von 1920 bis 1924 Tänzerin an der Wiener Volksoper. Der Großvater mütterlicherseits war der Architekt Eduard Prandl.
Nach der Matura 1956 begann sie eine Schauspielausbildung von 1957 bis 1959 und hatte Engagements am Theater der Jugend, am Theater in der Josefstadt und am Volkstheater. Sie war im Fernsehen zu sehen und in Hörspielen zu hören. Im Theater der Courage spielte sie von 1963 bis 1968 und von 1973 bis 1976. Danach leistete sie dramaturgische und Regie-Mitarbeit bei Theater, Film und Fernsehen und war eigenständig für die Gestaltung von Spieldokumentationen und Regiearbeiten bei einem TV-Film zuständig. Von 1980 bis 1981 hatte sie die Co-Leitung des Theaters der Courage zusammen mit Stella Kadmon inne. 1979/1980 leitete sie die Gründung der Kleinbühne Theater in der Drachengasse ein, das 1981 eröffnete und in dem sie die Leitung übernahm und bis 1987 kontinuierliche Regie- und Schauspielarbeit leistete.
Am 1. Januar 1988 erfolgte Emmy Werners Eintritt in die Geschäftsführung des Volkstheaters Wien, das sie vom 1. September 1988 bis 31. August 2005 als künstlerische Direktorin leitete. In dieser Zeit betreute sie 13 Stücke als Regisseurin.