Window on Russia
Kuratorin: Nina Khrushcheva
Professorin für Internationales, The New School, New York
Als Wladimir Putin im Februar 2022 Russlands „Sonderoperation zur Verhinderung von Völkermord“ in den selbsternannten Republiken Donezk und Luhansk auf dem Territorium der Ukraine anordnete, hat sich nicht nur die europäische, sondern auch die globale geopolitische Situation dramatisch verändert. Dieser militärische Angriff, von dem der Kreml betonte, dass es sich nicht um einen „Krieg“ gegen die gesamte Ukraine handelte, war zu einer krassen Auflösung der letzten fünfzehn Jahre von Putins Außenpolitik geworden, die von Militanz, Abwehr und Misstrauen geprägt gewesen ist. Russland hatte unruhige Beziehungen zur kaum bedrohlichen Europäischen Union, der der russische Präsident nun böswillige Versuche vorwirft, sein Land zu unterminieren. Neben der NATO, deren Osterweiterung zur existenziellen Sicherheitsbedrohung erklärt wurde, wird der Westen als Feind angesehen wie in den dunkelsten Tagen der Sowjetunion.
In seinen Bemühungen, den Westen wegen seiner wahrgenommenen „Einmischung“ in Russlands traditionellen Einflussbereich – die Länder des nahen Auslands wie die Ukraine, Weißrussland, Georgien und Moldawien – zu konfrontieren, hat Putin diesen Nationen im Wesentlichen die Unabhängigkeit verweigert. Dies zeigt sich im Angriff auf die Ukraine; der Unterstützung von Weißrusslands eigenem starken Mann Alexander Lukaschenko, den Putin vollständig von den Gefälligkeiten des Kremls abhängig gemacht hat; oder im Bestreben, Moldawien und Georgien einzuschüchtern und mehr. Es ist nicht die Militärmacht der NATO, die der derzeitige Kreml so alarmierend findet. Die wirkliche Bedrohung ist das tatsächliche Potenzial des Bündnisses, diese Länder vollständig auf seine Seite zu ziehen. Einen Präzedenzfall für die Demokratisierung des postsowjetischen Raums zu schaffen, war für Putin und seinen Apparat, viele seiner ehemaligen KGB-Mitarbeiter, ein Albtraumszenario. Wie zu Sowjetzeiten besteht die Hauptaufgabe der heutigen herrschenden russischen Elite darin, ihr kontrollierendes politisches und wirtschaftliches Regime aufrechtzuerhalten, das auf Beschränkungen und Unterdrückung im Namen der nationalen Sicherheit und der „Verteidigung“ gegen den dekadenten Westen aufbaut, dessen einziges Ziel die „Eliminierung“ Russlands sei.
Das Jahr 2022 markiert Russlands Abgang von der Weltbühne und lässt uns nur ein kleines Fenster, um hineinzuschauen. Wenn man den Weg des Landes unter Putin diskutiert oder sogar einen möglichen Wechsel in der Kreml-Führung in Betracht zieht, sollte man verstehen, dass dies keine Garantie dafür ist, dass die mächtigen Sicherheitskräfte, die in den letzten Jahrzehnten die volle Kontrolle und Herrschaft über die Gesellschaft erlangt haben, den „Putinismus“ oder Putin aufgeben. Daher werden die Interaktionen mit den Ländern des nahen Auslands weiterhin von Feindseligkeit und Unsicherheit geprägt sein, während die Beziehungen zum Westen bestenfalls angespannt und schlimmstenfalls kriegerisch bleiben werden.